Geschichte der Orgel zu Hollern

Text von:
Martin Böcker, Kantor und Organist – Orgelsachverständiger, Kirchenmusikbüro
Cosmaekirchhof 5, D 21682 Stade
Tel. & Fax: ++49 – 4141 – 92 22 19
e-mail: boecker-stade@t-online.de

1575: Dirck Hoyer stellt eine kleine Orgel mit bemalten Flügeltüren fertig(01). Diese war aber stets reparaturbedürftig.

1688: Der Kirchenvorstand entschloss sich, nachdem im Alten Land mehrere neue Orgeln entstanden waren, Arp Schnitger eine neue Orgel in Auftrag zu geben (02). Der Kirchenvorstand verhandelte mit Schnitger in Stade (er arbeitete 1688 in St. Cosmae an der Orgel) und der Kontrakt wurde kurz darauf in Hollern festgelegt (03). Teilen der alten Orgel sollten in die neue Orgel übernommen werden. Dieses ist bezeichnend für den Zustand der Orgel von Hoyer, denn Schnitger übernahm stets qualitativ gutes Pfeifenmaterial in seine Orgeln. (siehe Cappel, Lüdingworth, Steinkirchen, Hamburg/St.Jacobi u.a.)

1690: (im Sommer) wurde die Orgel per Schiff von Hamburg her angeliefert und auf dem sogenannten Lektor (an der nördlichen Wand, gegenüber der Kanzel?) aufgestellt. Nach Schnitgers Aufzeichnungen soll der Principal 16’ im Prospekt des Pedals mit G begonnen haben (03). Der Stader Zimmermeister Andreas Henne, der den Turm von St.Cosmae erbaute, erstellte den „Orgelboden" (04). Am 21. September 1690 nahm Vincent Lübeck die Orgel ab: „Weil derselbe bey Verdingung und bey Lieferung gedachter orgel gegenwärtig gewesen, auch selbige durchgegangen, erhielt er zum praesent 21 M." Die Abzahlungen für die Orgel zogen sich bis 1695 hin und wurden von einem Gesellen oder V.Lübeck abgeholt (03).

1756, 1766 und 1770 sollen Reparaturen durch Dietrich Christoph Gloger (Stade) durchgeführt worden sein. Eine Reparatur im Jahre 1776 durch Gloger ist unmöglich da dieser bereits 1773 verstarb. Da von Stade aus Georg Wilhelm Wilhelmy die Pflege der Schnitger-Orgeln übernahm, ist es sehr wahrscheinlich, dass er diese Reparatur ausführte (04) .

1856: Philipp Furtwängler teilt die Disposition der Orgel im Jahre 1856 mit.

Hauptwerk

 

Brustwerk

 

Pedal

 

Principal

8' (Prosp ab E)

Gedact

8'

Principal

16' (Prosp. ab G)

Rohrflöte

8'

Blockflöte

4'

Gedact

8'

Octav

4'

Oktave

2'

Octav

4'

Nasat

3'

Quintflöt

1 1/2'

Mixtur

IV

Octav

2'

Scharff IV

Posaune

16'

Waldflöte

2'

Sesquialter II

Tromet

8'

Zimbel

III

Krumhorn 8'

Cornet

2'

Mixtur

IV        

Tromet

8'

       
Schalmey 4'        

Manualumfang: CDEFGA – c’’’, Pedalumfang: CDE – d’, Cimbelstern, Vogelgesang, Tremulant5. (eine Manualkoppel wird sicherlich vorhanden gewesen sein / Die Orgel stand sicherlich im Chorton, d.h. sie war ½ bis zu einem Ton über heute normal eingestimmt und hatte sicherlich eine modifizierte mitteltönige Stimmung.)

1858: (bisher wurde immer 1850 angenommen) baut Philipp Furtwängler aus Elze die Orgel um. Er versetzt die Orgel auf die obere Westempore und muss die Maße der Orgel verkürzen. Es werden die Pedaltürme verkürzt und einige lange Pfeifen gekröpft. Die Socke der Pedaltürme werden in die Empore versenkt. Statt des Brustwerkes legt Furtwängler ein Hinterwerk mit neuer Lade und neuer Disposition hinter einem Stimmgang an. Aus dem HW verschwand die Schalmey 4’ und die Cimbel, die Mixtur wurde in das Hinterwerk versetzt. Die beiden BW-Register Sesquialtera und Scharf wurden ins HW verlegt. Im Pedal verschwanden Mixtur und Cornet 2’.

Die Disposition nach diesem Umbau sah aus wie folgt (05) :

Hauptwerk     Hinterwerk     Pedal    
Bordun 16’ F Geigenprincipal 8’ 8' F Principal 16' S
Principal   8’ S Spitzflöte 8’ F Octave 8’ F
Rohrflöte   8’ S Salicional 8’ F Gedackt 8’ S
Octav 4’ S Liebl.-Gedackt 8’ 8' F Octave 4' S
Nassat 3’ S Octav 4’ F Bordun 4’ F
Octav 2’ S Gemshorn 4’ F Posaune 16’ S
Waldflöt 2’ S Gedackt 4’ 4' F Trompete 8' S
Sesquialtera II S Quinte 2 2/3' F      
Tromet 8' S Octav 2' S?      
      Mixtur IV-VI S      

Manualumfang Hauptwerk: CDEFGA – c’’’, Pedalumfang: CDE – d’
Manualumfang Hinterwerk: CDDisE – c’’’
Manualkoppel, Pedalkoppel

1966/67: Die Empore wird auf ihre alte Höhe zurückgeführt und es erfolgt ein Umbau der Orgel durch die Firma Emmanuel Kemper und Sohn, Lübeck. Dabei werden die Pedaltürme wieder in die Brüstung gestellt, aber nicht auf die alte Höhe gebracht, sodass heute noch einige Pfeifen gekröpft sind. Das Oberteil des Hauptwerksgehäuses wird um ca. 110 cm höhergesetzt. Darunter wird ein neues Brustwerk errichtet.
Schleierbretter werden z.T. entfernt und nicht wieder ersetzt.
Die Traktur und der Spieltisch werden erneuert.
Lade und Pfeifenwerk des BW sind bis auf Sesquialtera und Scharf gänzlich neu. In den beiden alten Registern sind im wesentlichen alte Pfeifen zu finden, im Gegensatz zu Angaben bei Fock.
Alle alten Pfeifen werden überarbeitet und verändert. Insbesondere betrifft das die bisher unveränderten Pedalzungenregister.
Im Pedal wird der Principal 16’ zum Prinzipal 8’ umgearbeitet (ab D klingend im Prospekt?). Die alten Pfeifen des Prinzipal 16’ GAB werden im neuen Subbass 16’ (hier ABH) verwendet.

Die Orgel hat nun folgende Gestalt:

Hauptwerk

Brustwerk

Pedal

Principal

8' (S)

Gedakt

8' (K)

Subbass

16' (K)

Rohrflöte

8' (S)

Blockflöte

4' (K)

Oktavbass

8' (S,K)

Octave

4' (S)

Oktave

2' (K)

Octave

4' (S)

Nassat

3' (S)

Quintflöte

1 1/2' (K)

Mixtur

III (K)

Octave

2' (S)

Scharff IV (S,K)

Posaune

16' (S)

Waldflöte

2' (S)

Sesquialtera II (S,K)

Tromet

8' (S)

Zimbel

III (K)

Krummhorn 8' (K)

Cornet

2' (K)

Mixtur

IV (K)        

Trompete

8' (S)

       
Vox Humana 8' (K)        

Manualumfang: CDEFGA – c’’’, Pedalumfang: CDE – d’, "Glockenspiel" (Akkordglocken ohne Stern; Furtwängler oder Wilhelmy?), Vogelgesang (K), Tremulant BW (K) Manualkoppel, 2 Schwimmerbälge, Winddruck: 85 mm WS, Tonhöhe: ca. ¾ Ton über normal.
In den Orgelakten von Albrecht Ubbelohde ist folgender Vermerk zu lesen: Pedalladen noch aus vor-Schnitgerscher Zeit als Blockwerkladen hergestellt. Auf diesen Hinweis hin muss eine Untersuchung der Windlade stattfinden, um dieses zu bestätigen.
Die Orgel befindet sich klanglich in einem bedauerliche Zustand. Auch in technischer Hinsicht ist der zustand als traurig zu bezeichnen. Die gesamte technische Anlage von Kemper ist außerordentlich unsensibel in das Orgelwerk eingepasst und wird in den nächsten 15 Jahren seine Funktion deutlich verschlechtern. Das Pfeifenwerk ist z.T. in desolatem Zustand, was sicherlich auch durch falsche Wartung seit 1967 herrührt.
Die Zinnfolie an den Prospektpfeifen blättert ab.
Die Orgel bedarf eine durchgreifenden Restaurierung/Rekonstruktion.
Die Gemeinde ist grundsätzlich zu einer Restaurierung/Rekonstruktion ihres wertvollen Instrumentes bereit. Wer dieses Projekt unterstützen möchte melde sich bei:

Kirchengemeinde Hollern-Twielenfleth, Hinterstr. 15 a, 21723 Hollern-Twielenfleth

Noten:

  1. "Kirchenregister" Kirchenarchiv Hollern
  2. G.A. Künicke: Versuch einer Ortschronik von Hollern im Alten Lande. Jork 1940, S.57 u. 116ff
  3. Gustav Fock, Arp Schnitger und seine Schule, 1974, S. 84 (im Folgenden kurz:GF)
  4. Peter Golon, Historische Orgeln im Landkreis Stade, 1983, S. 68
  5. Hinrich Renken, Orgeldipositionen aus den Herzogtümern Bremen und Verden, Handschrift ca. 1830 - 1860
  6. Angaben aus den Orgelakten von Alfred Hoppe (Verden)